Überspringen zu Hauptinhalt

I like disco & disco likes me

21.01. – 25.02.2017

Eröffnung
20.01.2017, 19 Uhr

Ein minimalistisches, mit schwarzem Edding in wenigen Strichen auf die Fliesen einer Toilette der Kunsthochschule Mainz gezeichnetes Portrait hat es ihm angetan. Kurz darauf entsteht seine erste Arbeit mit Fliesen. Ihr schlichter Titel: Toilette Mainz. „Ich finde Toiletten magisch!“, sagt der Lukas Glinkowski (* 1984, lebt und arbeitet in Berlin) heute zu dieser Begegnung.

Seine Arbeiten sind Erinnerungen an diese magischen Orte – den Tunnel aus Gaspar Noés Film Irreversible, ein Badezimmer seiner Tante, mit dem er Kindheitserinnerungen verbindet, oder eben an die Toilette einer Kunsthochschule. Dabei geht es niemals nur um die Architektur des Tunnels, des Badezimmers oder der Toilettenkabine. Es sind die den Orten eingeschriebene Spuren von Aneignungs-, Abnutzungs- und Transformationsprozessen, die sie zu besonderen Orten werden lassen: eine Lampe, ein Schriftzug, ein Superman-Aufkleber.

Bei den Arbeiten Lukas Glinkowskis handelt es sich weder um Readymades noch um 1:1-Nachbauten. Es sind Versuche, die Atmosphäre von Orten mit minimalistischer Formensprache einzufangen; es sind Erinnerungsvehikel an eine vergangene Zeit und inzwischen vielleicht völlig veränderte Orte. Das Eintauchen in Lukas Glinkowskis Arbeiten gleicht einer (Zeit-)reise.

I like disco & disco likes me ist inspiriert von seiner Diskojugend in den 90er Jahren. Damals hat er seinen Cousin jahrelang begleitet, der als DJ sämtliche Kleinstadt- und Dorfdiskos in der Umgebung ihrer Heimatstadt Chełmno (Polen) bespielte. Die raumgreifende Installation mit ihrer sorgfältig ausgearbeiteten und dennoch beiläufig wirkenden Komposition, den Waschbecken und Spiegeln erinnert an Toiletten der 90er Jahre. Doch etwas Wesentliches fehlt zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung: Die Kritzeleien, die kleinen Zeichnungen, die Sprüche und Binsenweisheiten, die Toiletten von Diskos, Clubs und Bars ihren spezifischen Charakter verleihen. Der Raum hat das Flair der 90er, in denen vielleicht einige von Ihnen, den Besucher_innen der Ausstellung, selbst Wände beschrieben und beschmiert haben. (Die wenigsten von Ihnen werden es heute noch tun.).

I like disco & disco likes me lädt Sie ein, sich nicht nur über die Betrachtung eines Wandbildes an jene Zeiten zu erinnern, sondern dem Geist Ihrer eigenen Jugend aktiv nachzuspüren, indem Sie sich in den Raum einschreiben, vorgefundene Spuren kommentieren, weiterdenken oder überschreiben. Der Reiz des Verbotenen wird ersetzt durch den Reiz, ein Kunstwerk mit hervorzubringen. Die Toilette, ein intimer Ort, wird öffentlich einsehbar und mit dem urbanen Raum verbunden. Besucher_innen werden zu Co-Autor_innen der Arbeit. Der Titel I like disco & disco likes me spielt auf humorvolle Weise auf Joseph Beuys (I like America and America likes Me) an und auf die Wechselwirkungen zwischen dem architektonischen wie sozialen Raum und seinen Nutzer_innen, die ihn ständig transformieren. So wird nicht nur die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum befragt, sondern auch der traditionelle Künstlertypus, das aus sich selbst schöpfende Genie, die Warenförmigkeit von Kunst sowie die Möglichkeiten von Institutionskritik zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Isabelle Meiffert

I like disco & disco likes me

21.01. – 25.02.2017
Eröffnung: 20.01.2017, 19 Uhr

Ein minimalistisches, mit schwarzem Edding in wenigen Strichen auf die Fliesen einer Toilette der Kunsthochschule Mainz gezeichnetes Portrait hat es ihm angetan. Kurz darauf entsteht seine erste Arbeit mit Fliesen. Ihr schlichter Titel: Toilette Mainz. „Ich finde Toiletten magisch!“, sagt der Lukas Glinkowski (* 1984, lebt und arbeitet in Berlin) heute zu dieser Begegnung.

Seine Arbeiten sind Erinnerungen an diese magischen Orte – den Tunnel aus Gaspar Noés Film Irreversible, ein Badezimmer seiner Tante, mit dem er Kindheitserinnerungen verbindet, oder eben an die Toilette einer Kunsthochschule. Dabei geht es niemals nur um die Architektur des Tunnels, des Badezimmers oder der Toilettenkabine. Es sind die den Orten eingeschriebene Spuren von Aneignungs-, Abnutzungs- und Transformationsprozessen, die sie zu besonderen Orten werden lassen: eine Lampe, ein Schriftzug, ein Superman-Aufkleber.

Bei den Arbeiten Lukas Glinkowskis handelt es sich weder um Readymades noch um 1:1-Nachbauten. Es sind Versuche, die Atmosphäre von Orten mit minimalistischer Formensprache einzufangen; es sind Erinnerungsvehikel an eine vergangene Zeit und inzwischen vielleicht völlig veränderte Orte. Das Eintauchen in Lukas Glinkowskis Arbeiten gleicht einer (Zeit-)reise.

I like disco & disco likes me ist inspiriert von seiner Diskojugend in den 90er Jahren. Damals hat er seinen Cousin jahrelang begleitet, der als DJ sämtliche Kleinstadt- und Dorfdiskos in der Umgebung ihrer Heimatstadt Chełmno (Polen) bespielte. Die raumgreifende Installation mit ihrer sorgfältig ausgearbeiteten und dennoch beiläufig wirkenden Komposition, den Waschbecken und Spiegeln erinnert an Toiletten der 90er Jahre. Doch etwas Wesentliches fehlt zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung: Die Kritzeleien, die kleinen Zeichnungen, die Sprüche und Binsenweisheiten, die Toiletten von Diskos, Clubs und Bars ihren spezifischen Charakter verleihen. Der Raum hat das Flair der 90er, in denen vielleicht einige von Ihnen, den Besucher_innen der Ausstellung, selbst Wände beschrieben und beschmiert haben. (Die wenigsten von Ihnen werden es heute noch tun.).

I like disco & disco likes me lädt Sie ein, sich nicht nur über die Betrachtung eines Wandbildes an jene Zeiten zu erinnern, sondern dem Geist Ihrer eigenen Jugend aktiv nachzuspüren, indem Sie sich in den Raum einschreiben, vorgefundene Spuren kommentieren, weiterdenken oder überschreiben. Der Reiz des Verbotenen wird ersetzt durch den Reiz, ein Kunstwerk mit hervorzubringen. Die Toilette, ein intimer Ort, wird öffentlich einsehbar und mit dem urbanen Raum verbunden. Besucher_innen werden zu Co-Autor_innen der Arbeit. Der Titel I like disco & disco likes me spielt auf humorvolle Weise auf Joseph Beuys (I like America and America likes Me) an und auf die Wechselwirkungen zwischen dem architektonischen wie sozialen Raum und seinen Nutzer_innen, die ihn ständig transformieren. So wird nicht nur die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum befragt, sondern auch der traditionelle Künstlertypus, das aus sich selbst schöpfende Genie, die Warenförmigkeit von Kunst sowie die Möglichkeiten von Institutionskritik zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Isabelle Meiffert